Der Landesverband der Berufsjäger Rheinland-Pfalz/Saarland e.V. spricht sich in einem offenen Brief an die Staatsministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität Katrin Eder entschieden gegen den vorliegenden Regierungsentwurf zur Novellierung des Landesjagdgesetzes von RheinlandPfalz aus.
Der Berufsjäger ist ein staatlich anerkannter Ausbildungsberuf, der nach einer dreijährigen
Ausbildungszeit mit der Prüfung zum Revierjäger/ zur Revierjägerin abschließt. Wir üben das Handwerk, dass zu den Ältesten in Deutschland gehört, professionell aus. Die Verknüpfung forstwirtschaftlicher, landwirtschaftlicher und jagdlicher Belange mit den Forderungen des Tier-, Natur-, Landschafts- und Umweltschutzes sowie das Monitoring und die Rückgewinnung der biologischen Vielfalt durch gezielte Maßnahmen und Eingriffe sind neben den klassischen Aufgaben, wie z.B. die Wildbewirtschaftung, Lebensraumgestaltung und Wildschadensverhütung in Feld und Wald, Bestandteile des Berufsbildes.
Am 04.07.2023 stellte das Umweltministerium Rheinland-Pfalz der Öffentlichkeit einen Regierungsentwurf zur Novellierung des Landesjagdgesetzes vor. Der Landesverband der Berufsjäger lehnt diesen Regierungsentwurf entschieden und in Gänze ab. Dies begründet er in einem offenen Brief an Umweltministerin Katrin Eder und stellt darin detailliert seine Kritikpunkte und Forderungen dar.
Die Landesregierung sieht durch die Neufassung des Jagdrechtes im Wesentlichen die Rechte der Grundbesitzer gestärkt, die behördlichen Strukturen entlastet, neuartige wildökologische Erkenntnisse umgesetzt und Natur- und Tierschutz gestärkt. Das Gesetz soll wesentlich dazu beitragen, den klimaresilienten Waldumbau voranzutreiben und den Wald als Kohlenstoffspeicher zur Verlangsamung des fortschreitenden Klimawandels verstärkt zu nutzen.
Der Landesverband der Berufsjäger ist davon überzeugt, dass der Gesetzentwurf alle diese Ziele verfehlen, zu großen Teilen ihr Erreichen sogar unmöglich machen wird. Hierzu einige Beispiele:
• Die Umsetzung neuartiger wildökologischer Erkenntnisse und die Stärkung von Tier- und Naturschutz erschließt sich aus dem Gesetzentwurf in keiner Art und Weise. Das Ministerium schafft den Tierschutz für Huftiere in Teilen gänzlich ab. Es verpflichtet die Jäger sogar dazu, Muttertiere zu erlegen, die nachweislich für das Überleben ihrer Jungen notwendig sind. Der Gesetzentwurf fordert somit aktiv, Jungwild zu Waisen zu machen und nimmt in Kauf, dass es nach dem Abschuss des Muttertieres kläglich zugrunde geht.
Im Gegenzug plant das Fachreferat im Klimaschutzministerium einige Jagdarten, die nachweislich tierschutzkonform sind, aufgrund angeblicher wissenschaftlicher Erkenntnisse zu verbieten. Zudem sollen Möglichkeiten, Jagdhunde als Helfer für tierschutzgerechte Jagdausübung auszubilden, eingeschränkt werden.
• Die Rechte von Grundeigentümern sollen unter anderem durch die Eigenbejagung ihrer Grundflächen gestärkt werden. Die dahinterstehenden Maßnahmen werden allerdings mittelfristig massiv zulasten der Grundeigentümer wirken:
Jagdreviere werden unverpachtbar, wenn sie von mitjagenden Grundstückseigentümern überflutet werden, die jede konzeptionelle Bestrebung des Jagdpächters zu fach- und sachgerechtem Wildmanagement verhindern. Wenn Jagdreviere in Gänze nicht mehr verpachtet werden, müssen die Grundeigentümer Bejagungsfirmen für eine fachgerechte Bewirtschaftung ihrer Jagdreviere bezahlen. Den Flächenbesitzern gehen somit perspektivisch nicht nur die Jagdpachteinnahmen verloren, sie werden zusätzlich für die Bejagung ihrer Fläche sowie für sämtliche Wildschäden wirtschaftlich aufkommen müssen.
• Zur Entlastung der behördlichen Strukturen sieht die Landesregierung einige Verfahrensvereinfachungen vor. Diese Maßnahmen isoliert betrachtet werden ohne Frage zu einem Abbau von Verwaltungsaufwand führen.
Gleichzeitig schafft der Gesetzentwurf allerdings zahlreiche neue, bisher nicht bestehende behördliche Aufgaben auf allen Ebenen der mit Jagd betreuten Verwaltungen, die die Aufwandseinsparungen bei weitem übersteigen werden. Diese Neuschaffungen von
Tätigkeitsfeldern lösen pragmatische und bewährte Vorgehensweisen grundlos ab.
Wesentliche Teile dieser neueren Zuständigkeiten bestehen aus amtlicher Kontrolle und Bevormundung der Jägerschaft, die ein zentralistisches, an forstpolitischen und -ideologischen Grundsätzen orientiertes Bejagungssystem, schaffen sollen.
Der Landesverband der Berufsjäger sieht im vorliegenden Gesetzentwurf hintergründig drei nicht ausdrücklich benannte, aber für Fachleute offensichtliche Gesetzesziele:
1. Die private Jagd als Wildtierschutz soll abgeschafft werden.
Die Pflichten der Jagdpächter werden gemehrt und bei mangelhafter Umsetzung mit Verwaltungszwang bedroht, während ihre Rechte an allen Enden beschnitten werden. Allein die behördlichen und teils willkürlichen Vorgaben zum Vollzug von Zwangsmaßnahmen werden dazu führen, dass Jagdpächter sich einem unkalkulierbaren Haftungsrisiko aussetzen müssten, das die Mehrheit der Pächter nicht tragen können wird. Zudem wird durch die Zerschlagung des Reviersystems die Jagdpacht und die damit verbundene eigenverantwortliche Jagdrevierbewirtschaftung unmöglich und somit unattraktiv. Bisher freiwillig erbrachte Leistungen der Jäger werden durch den neuen Gesetzentwurf zur Pflicht gemacht, die Jägerschaft wird zum Verantwortlichen für sämtliche Einflüsse des Wildes auf Landnutzung und Infrastruktur erklärt.
2. Wildbestände der Huftierarten sollen ausgerottet oder auf ein extrem geringes Niveau abgesenkt werden.
Damhirsche und Muffelschafe werden im Zuge des Gesetzentwurfes zu unerwünschten Tieren diffamiert. Sie stünden dem Aufbau eines „Klimawaldes“ im Weg. Sie müssen künftig außerhalb bestimmter Gebiete ohne jede Rücksichtnahme geschossen werden. Das Nicht-erlegen eines hochträchtigen Muttertieres wird genauso wie das Nicht-schießen eines frisch geborenen Jungtiers zu ordnungswidrigem Verhalten erklärt. Den Jägern wird Ordnungszwang und sogar Ersatzvornahme auf ihre Kosten angedroht, wenn sie solche Gewissensentscheidungen zugunsten des Tieres fällen und ihre Waffe ruhen lassen!
Gleiches soll für Rothirsche, Rehe und Wildschweine gelten, sofern beispielsweise Landwirtschafts-, Forst- oder die Naturschutzbehörden ihre Bestände als „zu hoch“ einschätzen. Übersetzt man die Zusammenhänge und Verklausulierungen des Gesetzestextes, ergibt sich, dass Wildbestände dann zu hoch sind, wenn sie einen Einfluss auf ihren Lebensraum haben. Dass Ökosysteme Lebensgemeinschaften verschiedener Spezies sind, die in gegenseitiger Beeinflussung diese Lebensräume überhaupt erst begründen und erhalten, impliziert, dass Wild künftig kein wesentlicher Bestandteil von Ökosystemen mehr sein darf.
3. Die Unterwerfung der Jagd unter forstpolitische Grundsätze soll in der Verwaltung etabliert werden.
Rheinland-Pfalz hat schon jetzt keine umfängliche strukturelle Trennung der Rechtskreise Jagd und Forstwirtschaft mehr. Die Leitung der oberen und obersten Jagdbehörde ist in Personalunion bei der Leitung des Landesforstbetriebes angesiedelt. Diese strukturelle Überschneidung „komplettiert“ die Neufassung des Landesjagdgesetzes in unzähligen Halbsätzen, Erläuterungen und Zuständigkeitsänderungen. Jagd als Wildtierschutz, Erhalt einer natürlichen Ressource, Artenschutz und Kulturgut wird vom Waldbau und seinen wirtschaftlichen Interessen begraben. Jagd findet, folgt man dem Gesetzesentwurf, nur noch als Mittel zur Erfüllung forstwirtschaftlicher und waldbaulicher Ideen statt, und wird zu einer Art Waldschädlingsbekämpfung degeneriert. Der Grundgedanke des Rechtskreises Jagd mit dem Ziel Lebensraumbedürfnisse der Wildtiere zu repräsentieren und diese mit der forstwirtschaftlichen Landnutzung übereinzubringen, ist nicht mehr erkennbar.
Der Landesverband der Berufsjäger fordert vor diesem Hintergrund die Entwicklung eines neuen, wildbiologisch und jagdpraktisch gefassten Entwurfes zur Novellierung des Landesjagdgesetzes. Insbesondere Tierschutz, Artenschutz und eine forcierte Raubwildbejagung unter dem Schirm des bestehenden Revierjagdsystems müssen erhalten bleiben und gestärkt werden! Eine tierethisch ausgerichtete Jagd soll zum Erhalt gesunder und artenreicher Wildbestände in Wald und Feld für Folgegenerationen erhalten bleiben.
Der Berufsjägerstand als ausgebildeter, professioneller und fachkundiger Bestandteil des jagdlichen Spektrums muss weiterhin in den jagdrechtlichen Normen an wesentlichen Positionen seinen Platz finden. Die großräumige, professionelle und wildbiologisch ausgerichtete Wildbewirtschaftung muss Zielsetzung und Bestreben der Gesetzgebung sein. Nur so werden die Herausforderungen, die Klimawandel, Waldsterben und der gesellschaftliche Wandel hin zu umwelt- sowie tier- und artenschutzkonformem Handeln, zu bewältigen sein.
Der Landesverband der Berufsjäger steht allen beteiligten Akteuren in Politik und Gesellschaft als fachkundiger Partner zur Seite.
Für Rückfragen steht Ihnen der Vorstand des Landesverbandes der Berufsjäger unter der Mailadresse landesverband-berufsjaeger-rlp-sl@gmx.de jederzeit zur Verfügung.
In einem Offenen Brief wendet sich der Landesverband der Berufsjäger Rheinland-Pfalz/Saarland e.V. an Umweltministerin Eder. Im Bild zu sehen sind Nico Schulze und Christoph Hildebrandt (rechts im Bild) vom Vorstand. Quelle: Landesverband der Berufsjäger Rheinland-Pfalz/Saarland e.V.